PNN Spezial:Kultur

(20.5. 2008)

Baumtraum
Ab Sonnabend zeigt Dennis Oppenheim

in der Schiffbauergasse seine alternative Landschaft

Von Heidi Jäger

Auf dem Schirrhof stehen riesige, silberfarbige Katzen- und Hundekörbe. Sie warten nicht etwa auf ihren Einsatz im Tiertransport, sondern darauf, Teil eines Baumes oder einer Hecke zu werden. Denn derzeit erwächst auf dem Rasen am VW-Design Center eine Landschaft der Zukunft: ein künstlicher „Garten“. Architekt dieser Fantasiewelt in der Schiffbauergasse ist Dennis Oppenheim, ein Künstler aus New York, der in den 60er Jahren zu den Pionieren der Land Art-Bewegung gehörte. Damals griffen er und seine Mitstreiter direkt in die Natur ein und veränderten sie. Heute setzt der Performer Dinge hinzu: Er komponiert aus Gebrauchsartikeln der Konsumgesellschaft, wie Hausrat, Mülleimer, Plastikröhren oder eben Tierhütten, einen neuen Lebensraum.

„Stellen Sie sich vor, Sie kaufen sich ein Haus und ein Grundstück. Natürlich kann man nun im Garten-Center Bäume und Sträucher dafür erwerben und sie zu Hause pflanzen. Doch das macht Arbeit, im Frühjahr wie im Herbst. Mit den alternativen Skulpturen von Oppenheim hätten Sie diese Arbeit nicht“, wirbt Oppenheim für sich selbst. Dabei sieht er sich mit diesem „Garten für Faule“ keineswegs als Umstürzler. „Ich will nichts vorschreiben, nur Alternativen aufzeigen.“ Er gebe den Menschen Bäume, die andere Farben haben. „Das ist eine Ergänzung und kein Protest. Meine Skulpturen sollen verschönern und nichts kaputt machen.“ Statt Fabriken und Kraftwerke setzt er Dinge in die Landschaft, an denen sich die Leute erfreuen können.

Seine Kunst sei eine Reaktion auf einen Tagtraum, den er schon vor Jahren hatte. Dennis Oppenheim fuhr raus aus der Stadt, vorbei an Wäldern und Maisfeldern. Plötzlich kam ihm der Gedanke, „was wäre, wenn ich um die Kurve biege, und sich plötzlich eine ganz andere ,Natur’ auftun würde, eine aus Skulpturen?“ Im vergangenen Jahr ging er seiner Vision nach und erbaute im New Yorker Central Park diese andere Landschaft, wenn auch erst in kleiner Form. „Hier in Potsdam wirkt sie sicher besser, kann ich einen stärkeren Kontrast setzen“, glaubt Dennis Oppenheim schon vor Fertigstellung seiner Baum-Installation, die ab Samstag für vorerst drei Monate ihren „Schatten“ spendet. „Falls die Stadt nicht meint, sie auf Dauer dort ansiedeln zu wollen“, sagt Kurator Erik Bruinenberg – wohl mit leisem Zweifel.

Er war mit Dennis Oppenheim schon vor zehn Jahren im Gespräch über eine Ausstellung. Doch damals sei die Schiffbauergasse dem Amerikaner noch zu wild gewesen. Jedenfalls für eine eigene Schau. „Ansonsten fand ich es total spannend, eine Welt zu sehen, die so lange durch eine Mauer abgeschottet war und sich nun in der Wendeeuphorie befand.“ Als er vor zwei Jahren erneut nach Potsdam kam, entschied er sich, einer Retrospektive zuzustimmen, die im Kunstraum auch eine Vielzahl anderer Arbeiten von ihm zeigt.

Gern wohnt der 70-Jährige auch diesmal wieder im Holländischen Viertel mit seinen Häusern aus Stein und Geschichte, die es so in Amerika nicht gibt. Menschen, die meinen, dass in Potsdam alles zu glatt saniert werde, hält Oppenheim entgegen: „Solche Entwicklungsprozesse wie hier in Potsdam gibt es weltweit. In der DDR-Zeit wirkte alles wie eingefroren. Jetzt darf man alles. Was ist wohl besser?“ Er selbst habe ein Wochenendhaus auf Long Island. „Dort gibt es ein Gesetz, dass man gar nichts verändern darf. Möchten Sie in so einer Stadt leben?“ Er selbst ertrage es auch nur zum Ausruhen, ansonsten braucht er die Reibung mit New York, mit dem Chaos. Und als besänftigende Reaktion darauf vielleicht seine ganz eigene „Natur“.

Eröffnung Sonnabend um 18 Uhr. Zu sehen ist die von Intergalerie und Trollwerk organisierte Schau im Kunstwerk bis 24. August