MAZ

(25.05.2008)

Dennis-Oppenheim-Retrospektive im Kunstraum

und auf dem Freigelände an der Schiffbauergasse

Von Arno Neumann

Potsdam hat sein Kunstereignis! Fast auf den Tag genau, an dem die Kulturlandkampagne 2008 zum Thema „Provinz und Metropole“ fernab in der Provinz eröffnet wird, glänzt Potsdam als Kunstmetropole. Der New Yorker Künstler Dennis Oppenheim, geboren 1938 in Mason City, stellt eine Auswahl seiner Werke von den 60er Jahren bis zur Gegenwart im Kunstraum in der Schiffbauergasse aus.


Wer den Namen Dennis Oppenheim hört, denkt zuerst an ihn als einen der wichtigsten Künstler der Land Art, bereichert wenig später durch Body Art. In seiner monumentalen Kunst, der Architectur in future, hat er auch schon mal eine Kirche auf den Kopf gestellt. In Potsdam aber sind weitaus mehr und durchaus überraschende Facetten seiner Kunst zu erleben.


Zu verdanken ist dieses Ereignis Erik Bruinenberg, einst Kurator des Waschhauses, später Galerist und Kurator der so stiefmütterlich behandelten Ticket-Galerie am Nikolaisaal. Oppenheim nach Potsdam zu holen, mit dem er seit Jahren befreundet ist, war stets sein Wunsch. Jetzt meldet er sich m
it dieser phänomenalen Ausstellung zurück.


„Es ist alles ein bisschen Jahrmarkt“, bemerkt Bruinenberg zu den Objekten und Installationen. Es bewegt sich, tanzt, kreiselt, schnurrt, leuchtet, blinkt, lärmt und treibt dem Betrachter jeglichen Erklärungsehrgeiz aus. Zwei von innen leuchtende Körper liegen vom Blitz getroffen auf der Erde. Eine Puppe gerät in genau abgemessenen Abständen in die immer wieder gleiche zappelnde Tanzbewegung. An der Wand brechen wächserne Figuren unter den Strahlen von Wärmelampen in sich zusammen. Mit monotonem Scharren schiebt sich ein Holzstuhl vor und zurück unter einen monströsen Sessel. Gläserne Stühle sind übereinander geschichtet und blinken innen in freiem Rhythmus mit farbigen Glühlampen.


Aus metallenen schwarzen, schienenartigen Stäben, auf denen mit goldenen Kufen Schlittschuhe montiert sind, ist die Zahl 80 000 geformt. Es sollte eine 8 000 000 sein als Gedenken für die ermordeten Juden. Oppenheim ist Jude. Der Kunstraum war zu klein.


In der oberen Etage sind fotografische Dokumentationen von Oppenheims Land Art und Body Art untergebracht.


Jedes Werk – und Potsdam bietet nur eine kleine Auswahl aus Hunderten derartiger Kunststücke – lässt staunen und verwirrt. Mit welch explodierender Fantasie hier die Banalität einer nur auf rationales Funktionieren eingerichteten Welt aufgebrochen wird, ist überwältigend. Da ist viel Heiterkeit in demonstrierter Ernsthaftigkeit. Es ist ein sich selbst überholender Realismus, der das Geheimnis in der Absurdität versteckt. Und es hat, fast übersieht man es, alles seine wohl geordnete Form.


Bezogen auf das Kulturlandmotto ist es eine Ausstellung, die die Provinz aus den Köpfen treibt und Potsdam zu einer „Metropole in progress“ der zeitgenössischen Kunst macht – auch, und das sei ausdrücklich betont – im Kontext mit gegenwärtig anderenorts laufenden Ausstellungen gegenwärtiger Kunst unterschiedlicher Provenienz.


Kunstraum, Schiffbauergasse 4d, Vernissage Sonnabend, 24. Mai, 18 Uhr. Ausstellung bis 24. August, Mi.-Fr. 14-20 Uhr, Sa./So. 12- 20 Uhr.